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So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen... Kornwestheims Stadtgärtner knüpfen mit Schaufeln eine Biotopvernetzung.
Fotos: Gerald Probst
Christine Hartkorn und die Umweltbeauftragte Cordula Wohnhas schaffen auch im Kornwestheimer Stadtgebiet für die Natur Verbindun

Karl, der Käfer, freut sich am Biotopverbund

Kornwestheim: Wo der Mensch in Mengen siedelt, wird es für die Natur eng. Wohngebiete und Gewerbegebiete und Straßen und all das zerpflücken natürliche Lebensräume in isolierte Schnipsel. Mit einem Konzept zum Biotopverbund schafft die Stadt Kornwestheim Brücken für die Tier- und Pflanzenwelt.

Kornwestheim ist für seine Größe ganz schön klein. Auf nur 14,6 Quadratkilometern Fläche tummeln sich fast 32 000 Menschen – weit über 2100 pro Quadratkilometer. Das ist darf man heimelige Enge nennen. Vaihingen als flächengrößte Stadt im Landkreis Ludwigsburg beispielsweise hat mit weniger Einwohnern (29 000) eine fünfmal größere Fläche (73,4 km²).
Hat bei einer solchen Bevölkerungsdichte in Kornwestheim die Natur überhaupt ein Bleiberecht? Wo doch der Widerstreit der Interessen natur(nun, ja)gegeben groß ist. Schließlich weist Kornwestheim auf seinen freien Flächen auch noch sehr guten Ackerboden auf, die Landwirtschaft hat mithin ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.
Und doch spielt Mütterchen Natur eine Rolle. Cordula Wohnhas, Umweltbeauftragte der Stadt Kornwestheim, empfängt einige Journalisten „in der Mitte des Grünzugs Ost, der sich vom Rathaus nach Osten bis zum Kühloch und zum Gänsbachtal erstreckt.“ Auf der Wiese bei der Theodor-Heuss-Realschule, gleich neben einem schmucken Betonwohnklotz stellt sie vor, was der Fachmann Biotopverbund nennt.
Zwischen gebrechlichen alten Bäumen und auf der freien Wiese längs der Zufahrt zur Schule pflanzen Mitarbeiter der Stadtgärtnerei Kornwestheim 13 neue Bäume. „Wir haben Sorten ausgewählt, die einen hohen Wert für Tiere haben“, erklärt Christine Hartkorn von der Stabsstelle Umwelt. Darunter findet man den Wildapfel, den frisch gekürten Baum des Jahres also, aber auch den Speierling, Birnbäume und Walnussbäume. Das ist nicht eben die klassische Streuobstwiesenbesetzung, aber die Bäume sollen ja den Tieren passen und nicht dem Menschen. „Da geht es nicht um Ernteobst“, sagt Hartkorn. Die alten, mitunter eher toten als lebendigen Bäume auf der gut 15 Meter breiten und 200 Meter langen Fläche bleiben stehen. „Das Altholz ist gut für Tiere wie Vögel, Fledermäuse oder Insekten“, erklärt Cordula Wohnhas. Das wird Karl, der Käfer, gern hören. 1983 war er der tragische Held eines Öko-Liedes der Kapelle Gänsehaut und wurde da zu einem Bauprojekt „nicht gefragt“ sondern fortgejagt. Die Umweltbeauftragte der Stadt weist zudem auf die Bedeutung des Biotopverbundes auch für den Menschen hin. Mit dem Grünzug Ost kommt beispielsweise Frischluft in die City – in heißen Sommern höchst willkommen.

Heute werden Karl und die Kerfe nicht verjagt

Während Cordula Wohnhas dies erzählt, schaufeln die Stadtgärtner fotogen Erde auf den Wurzelballen eines Apfelbäumchens. Gegen Wühlmäuse ist der Ballen durch ein Drahtgeflecht geschützt. Und am Stamm trägt der Baum einen Verbissschutz. Er soll ja groß und stark werden.
Seit 1987 wird städtischerseits der Gedanke der Biotopvernetzung gehegt. Als „ersten kleinen Schritt“ bezeichnet Cordula Wohnhas die Pflanzung, die die Innenstadt über den Salamanderpark und weitere Grünflächen mit dem Außenbereich im Osten verbindet.
Was soll ein solcher Biotopverbund eigentlich? Ökologisch geht es darum, die Naturflächenschnipsel im Siedlungsraum aus ihren Insellagen zu holen und zu verbinden. Der Austausch der Arten zwischen den durch menschliche Siedlungsbauten getrennten Naturräumen soll so möglich werden. Isolierte Naturinseln, das hat die Forschung gezeigt, erleiden mit der Zeit einen deutlichen Artenschwund.
In ihrer Arbeit orientieren sich die Verantwortlichen der Stadt am Artenschutzkonzept des Landes. „Das ist eine Planungshilfe für uns“, berichtet Cordula Wohnhas.
Unterschiedliche Entwicklungsziele für die verschiedenen Bereiche nennt sie. So soll etwa auf dem offenen Feld im Westen Raum für seltene Bodenbrüter geschaffen werden. Es geht hier um das Rebhuhn beispielsweise – „das hatten wir hier früher öfter, aber jetzt haben wir nur noch eines“, sagt Cordula Wohnhas. Man hat da genau nachgezählt. Artenschwund findet lautlos statt. Längs der Bahnlinie ist da schon etwas Raum entstanden. Aber in gewissen Bereichen wäre auch etwas Zurückhaltung von der Landwirtschaft erforderlich –, was daher noch im Detail zu verhandeln wäre.
Ein wichtiger Beitrag zum Biotopverbund sind linienhafte Vernetzungen quer durch die Stadt, die den Ballungsraum nicht zuletzt für Tierarten einigermaßen durchlässig machen. So sollen durch die Neuanpflanzungen der Bäume Refugien für Brutvögel entstehen. „Hier haben wir alle Belange unter einen Hut gebracht“, berichtet die Umweltbeauftragte. Bislang liefen Biotopmaßnahmen auf städtischen Grundstücken ab. Der Biotopverbund soll auch künftig fortgesetzt werden, um die Stadt zumindest zu einem kleinen Teil zu einem natürlichen Lebensraum zu machen. „Für alle weiteren so geschützten Flächen sind Zukäufe durch die Stadt nötig“, zeigt Cordula Wohnhas auf.
Einen baurechtlichen Nutzen hat die Stadt von solchen Schutzmaßnahmen übrigens auch. „Für das, was wir hier bepflanzen, kriegen wir Ökopunkte und die gehen aufs ‚Ökosparbuch‘“, erklärt Cordula Wohnhas. Das heißt: Von diesem Sparbüchle kann die Stadt später mal bei Bedarf geforderte Ausgleichsmaßnahmen für andere Bauten verrechnen. Die kluge Stadt baut vor – natürlich.