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Das Innere eines Tasteninstruments sieht genauso schön aus, wie es klingt.
D. Amanak
Eifrig hobeln die angehenden Klavierbauer im Werkraum.
D. Amanak

Zwischen Klaviertasten und Orgelpfeifen

Ludwigsburg: In der Oscar-Walcker-Schule am Römerhügel öffnen sich dem Reporter die Türen zu einem musikalisch-handwerklichen Erlebnis der einzigartigen Art.

Vom berühmten Ludwigsburger Orgelbauer Oscar Walcker 1918 als überregionale Meisterschule für Orgelbau ins Leben gerufen, ist die Oscar-Walcker-Schule (OWS) heute nicht nur ausbildende Schule im Musikinstrumentenbau, sondern auch Bundesfachschule für Klavier- und Cembalobau. In Europa gibt es sechs Schulen, die zum Klavierbauer ausbilden, doch als einzige Meisterschule für den Orgel- und Harmoniumbau und den Klavier- und Cembalobau weltweit, ist die OWS international hoch angesehen. Zu den weiteren schulischen Angeboten gehören eine Ausbildung im Musikinstrumentenbau Blasinstrumente und Handzuginstrumente. Ein Rundgang durch die Schule mit Ausbilder Gunther Schaible erlaubt interessante Einblicke – eine kleine historische Reise durch die Geschichte der klassischen Musik beginnt. Faszinierend sind die alten Cembalos, Klavichorde und Flügel. Viele von ihnen erden so präsentiert, dass ihre Funktionsweise gut sichtbar ist. Und dann das: Eine von Oscar Walcker zu Lehrzwecken gestiftete Orgel. Gunther Schaible greift in die Tasten. Das Zusammenspiel von Tasten, Pfeifen und natürlich der Klang beeindrucken. Vom Anblick des dichten Pfeifenwaldes ganz zu schweigen. Gunther Schaible ist Klavierbaumeister und Lehrer mit Herzblut. Das merkt man ihm an. Sein musikalisches Wissen ist groß. Es macht Spaß, ihm zuzuhören. In seiner 40-jährigen Laufbahn als Klavierbauer unterrichtet er bereits seit 30 Jahren Klavierbau an der Oscar-Walcker-Schule und freut sich stets auf Interessenten. Nach dem Besuch der Werkstätten geht es in die Klassenzimmer. Die jungen Orgelbauer haben sich am Lehrerpult versammelt. Orgelbaumeister Marcus Kaul unterrichtet.

Die Liebe zum Instrument

„Ich finde es bis jetzt sehr interessant”, sagt Tomas Katilius später. Der 20-jährige hat gerade die Ausbildung zum Orgelbauer begonnen. Er erklärt, dass es richtig gewesen sei, diesen Weg einzuschlagen. Jungen, hoch motivierten Schülern dabei zuzusehen, wie sie mit Neugier und Elan ans Werk gehen, das sei etwas Tolles, meint Gunther Schaible. Erst recht, wenn sie einen für heutige Verhältnisse seltenen Beruf ausüben. In früheren Zeiten wurden hierzulande viele Klavierbauer gebraucht. Allein in Stuttgart gab es mehrere Klavierbaufabriken – deutschlandweit sind es heute nur noch zwölf. In jedem guten, musikalischen Haushalt steht ein Klavier. Davon ist Herr Schaible überzeugt.
Dann geht es ein Klassenzimmer weiter zu den Klavierbauern. Hier hobeln bereits die Schüler eifrig und bedecken den Boden binnen weniger Minuten mit Hobelspänen. Die Arbeit macht ihnen sichtlich Spaß. Derzeit sind 100 neue Schüler im Musikinstrumentenbau an der Oscar-Walcker-Schule. 45 von ihnen angehende Klavierbauer, 35 Lehrlinge im Orgelbau und 20 Schüler im Blasinstrumentenbau. Das Interesse ausländischer Schüler ist groß. Vorwiegend besuchen junge Menschen aus dem asiatischen Raum – China, Japan oder Korea die OWS. Aber auch Schüler aus der Schweiz oder aus Österreich lernen in Ludwigsburg. Auch in Asien werden Klaviere gebaut. Das Hauptaugenmerk liege dort jedoch auf dem Stimmen der Instrumente. Aber das alleine macht noch keinen Klavierbauer aus. "In der Ausbildung soll auf alle Aspekte des Klavierbaus eingegangen werden. Ein guter Klavierbauer muss den Überblick haben", sagt Gunther Schaible. Interessanterweise braucht es keinen bestimmten Schulabschluss, um an der Oscar-Walcker-Schule angenommen zu werden. Die Voraussetzung für eine Aufnahme beschränkt sich auf einen Ausbildungsvertrag in einem musikalischen Betrieb.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre

„Bei uns gibt es vom Hauptschüler bis zum Akademiker alles”, sagt Herr Schaible und lächelt. Die Ausbildung zum Klavier- und Orgelbauer dauert dreieinhalb Jahre. Der Unterricht findet pro Jahr als Blockunterricht in sechs mal sechs Wochen statt. Eine typische Unterrichtswoche bestehe aus einem Tag in der Werkstatt und vier Tagen Theorieunterricht, verrät der Klavierbaumeister. Im ersten Lehrjahr lernen die Schüler die Materiallehre und die Materialverarbeitung (Holz- und Metallbearbeitung). Im zweiten Lehrjahr geht es an die Feinmechanik, unter anderem um das Zusammensetzen der einzelnen Instrumententeile. Im dritten Lehrjahr wird intoniert und gestimmt. Was zunächst einfach klingt, ist gar nicht so simpel, denn die Töne in einer bestimmten Tongebung hervor zu bringen erfordert viel Geschick und Wissen in der Tonlehre. Am Ende der Ausbildung steht die Abschlussarbeit, die aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht. Im praktischen Teil der Prüfung bekommen die Lehrlinge ein vorgegebenes Modell, das sie nachbauen müssen.
Um auf der Oscar-Walcker-Schule aufgenommen werden zu können, sollten junge Interessierte gewisse Eigenschaften mit sich bringen. Die wichtigsten davon sind die Liebe zum Instrument und zur Musik, ein gutes musikalisches Gehör, handwerkliches Geschick, analytisches Denken und vor allen Dingen ein kommunikatives Wesen.
Eine musikalische Ausbildung in diesem Sinne ist eine wunderbare Sache, das sollten sich Interessierte stets vor Augen behalten. Mit einer abgeschlossenen Ausbildung zu einem Klavier- und Cembalobauer oder zum Orgel- und Harmoniumbauer eröffnen sich unendliche Wege in das große musikalische Berufsleben.

 

Information
Der Verein Freundeskreis der Oscar-Walcker-Schule bietet übrigens regelmäßige Konzertspaziergänge durch die eigenen Räumlichkeiten an. Hier können sich die Besucher auf eine zweistündige Reise durch die Welt der Musik begeben, können zuhören und ausprobieren, können staunen. Die Teilnahmegebühr beträgt 12 Euro pro Person. Gruppenangebote gibt es ebenfalls nach Absprache. Infos und Auskünfte unter
Telefon (0 71 41) 4 44 91 00 oder Mail an info@fk-ows.de